Bayreuth (ots) –

Trotz der Fortschritte ist eine adäquate Gesundheitsversorgung in vielen afrikanischen Ländern nicht selbstverständlich: Rund die Hälfte der Menschen haben keinen beziehungsweise nur einen unzureichenden Zugang zu einer grundlegenden Gesundheitsversorgung. (1) Auch Uganda in Äquatorialafrika gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Bei Lawin Kushaba aus Uganda trat als Folge einer Lymphknotenentzündung ein massives Lymphödem auf. Da die 29-Jährige in ihrer Heimat kaum Chancen auf eine wirksame Behandlung hatte, suchte sie Hilfe im Ausland – und stieß auf Rainer Kraus, den 1. Vorsitzenden des „Lymphvereins“. Im Interview erzählen beide, wie Lawin Kushaba in Deutschland behandelt wurde und wie es ihr heute, rund ein Jahr später, geht.

Liebe Frau Kushaba, Sie haben ein sekundäres Lymphödem -wann ist es das erste Mal aufgetreten?

„Das war 2014. Ich hatte plötzlich eine schmerzhafte Schwellung in der rechten Leiste – zudem Fieber und keinen Appetit. Drei Wochen später wachte ich mit einem dicken Fuß auf, die Haut juckte und die Schwellung breitete sich über den Unterschenkel auf das gesamte rechte Bein aus. In den folgenden vier Jahren suchte ich mehrere Ärzt:innen sowie Krankenhäuser auf und unterzog mich verschiedenen Tests – leider ergebnislos. Niemand war in der Lage, eine Diagnose zu stellen beziehungsweise das Bein adäquat zu behandeln. Ich war sogar bei einem Heiler, da traditionelle Medizin in unserer Kultur nach wie vor einen hohen Stellenwert hat.“

Wie hat er versucht, Ihre Erkrankung zu behandeln?

„Er schnitt meine Haut am Bein mehrmals ein, damit die Flüssigkeit abfließen konnte. Zudem fertigte er aus zahlreichen Kräutern, Blüten und Erde eine Rezeptur an, die er auf mein betroffenes rechtes Bein auftrug – verbunden mit einem magischen Ritual. Laut dem Heiler musste ich einen Fluch auf mich geladen haben und meine Erkrankung wäre die Strafe dafür – eine weitverbreitete Annahme in meinem Heimatland. Leider werden deshalb Betroffene oft von ihren Familien aus Scham versteckt beziehungsweise in der Gesellschaft geächtet.“

War das auch bei Ihnen der Fall?

„Meine Familie hat mich, so gut es geht, unterstützt und versucht, psychisch aufzufangen, aber es war eine schwere Zeit für mich. Ich wurde von meinen Freund:innen gemieden, sie wollten nicht mit mir in der Öffentlichkeit gesehen werden und auch bei gesellschaftlichen Veranstaltungen war ich außen vor. Während meines Studiums haben mich meine Kommiliton:innen ausgegrenzt und nach meinem Abschluss wollte mich kein Arbeitgeber einstellen – sie dachten, meine Erkrankung wäre ansteckend. Zudem hieß es, ich wäre körperlich nicht leistungsfähig. In dieser Zeit war ich einsam und depressiv – mir fehlte der Austausch und die echte Begegnung mit Menschen. Niemand verstand, was ich durchmachte, ich war sozial komplett isoliert. Zudem verschlimmerte sich mein Zustand: Die Einschnitte vernarbten und mein Bein wurde dicker.“

Wer hat schlussendlich die Diagnose „Lymphödem“ gestellt?

„Prof. Richard Kanyerezi vom Internationalen Krankenhaus Kampala hat mich 2018 an das KIMS-Krankenhaus im indischen Hyderabad verwiesen. Der dortige Gefäßspezialist erkannte sofort, dass es sich um ein Lymphödem handelt und hat eine Lymphszintigrafie vorgenommen, um die Schwere des Lymphödems zu bestimmen. Bei der Lymphszintigrafie werden Lymphgefäße und Lymphknoten mithilfe eines radioaktiven Arzneimittels sichtbar gemacht und der Lymphabfluss analysiert. Zusätzlich wurde eine Dopplersonografie gemacht, eine Ultraschalluntersuchung, um die Fließgeschwindigkeit des Blutes in den Gefäßen zu bestimmen. Das war das erste Mal, das ich überhaupt von der Erkrankung gehört habe. Mir wurde geraten, Kompressionsstrümpfe und ein Lymphpressgerät zu kaufen, was leider keine merkliche Verbesserung brachte.“

Wie sind Sie auf Rainer Kraus und seinen Lymphverein gestoßen?

„Über einige Ecken hat meine Tante Fredica Baguma, die bei einer Nichtregierungsorganisation tätig ist, den Kontakt zu Rainer Kraus und seinem Verein zur Förderung der Lymphoedemtherapie e. V., kurz Lymphverein, hergestellt – das war Anfang 2020. Dann kam allerdings die Corona-Pandemie und sämtliche Planungen lagen auf Eis. Ich war am Boden zerstört, habe aber den Kontakt zu Rainer Kraus und seiner Frau Martha gehalten, die ebenfalls aus Uganda stammt. Im Jahr 2022 ging ich an die Öffentlichkeit, weil ich es leid war, mich zu verstecken. Ich wollte Bewusstsein für die Erkrankung schaffen, um endlich frei von Vorurteilen und Diskriminierung zu sein – und um Hilfe zu erhalten. Durch einen Fernsehauftritt und Kontakte in der ugandischen Regierung konnte ich Spenden sammeln, die mir zum Teil meinen späteren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht haben. Zudem habe ich über Social Media Aufklärung betrieben.“

Lieber Herr Kraus, weshalb ist es Ihnen ein Anliegen Lymphödem-Betroffene zu unterstützen?

„Die Kenntnisse der Ärzteschaft auf dem Gebiet der Lymphologie sind nach wie vor lückenhaft – als Teilgebiet der Medizin spielt sie im Studium nur eine untergeordnete Rolle. Die Folgen davon sind häufig Fehldiagnosen und falsche Behandlungen. Im Ausland ist die Situation noch gravierender! Zudem haben Lymphödem-Betroffene eine schwere Bürde zu tragen und sind in ihrer Leistungsfähigkeit oftmals eingeschränkt. Um ihr Schicksal bewältigen zu können, ist die Unterstützung und Zuwendung ihres Umfelds von größter Bedeutung. Deshalb haben wir uns vorgenommen, alles daran zu setzen, die Versorgung chronisch kranker Menschen zu verbessern – und ihnen zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Die Freude über den Erfolg unserer Bemühungen ist die Energiequelle, die wir zur Erfüllung unserer Aufgabe benötigen!“

Wie haben Sie Lawin Kushaba konkret geholfen?

„Ursprünglich sollte eine erfahrene Lymph-Therapeutin, die für den Lymphverein bereits mehrmals auf humanitären Einsätzen im Ausland war, nach Uganda fliegen, um Lawin Kushaba einer intensiven Entstauungstherapie zu unterziehen. Aber aufgrund des Reiseverbots zu Corona-Zeiten war dies nicht möglich. Wir haben die Zeit aber sinnvoll genutzt und den Kontakt zur Lympho Opt Klinik in Pommelsbrunn hergestellt, einer Fachklinik für Lymphologie. Der ärztliche Leiter der Klinik, Dr. Franz-Josef Schingale, hatte den Lymphverein 1999 mitgegründet und sich bereit erklärt, Lawin Kushaba zu behandeln. Eine Untersuchung auf eine Filarien-Infektion konnten wir trotz der Distanz organisieren, die damit ausgeschlossen werden konnte.“

Wer hat die Kosten der Behandlung und Reise übernommen?

„Visum, die Krankenversicherung und ein Teil der Behandlungskosten konnten durch Spenden abgedeckt werden, die Lawin Kushaba in Uganda gesammelt hatte. Das restliche Geld haben wir vom Lymphverein beigesteuert, dem ich aufgrund der knappen Finanzlage 6.000 Euro dafür gespendet habe. Glücklicherweise bin ich persönlich in der Lage, Zeit und Geld für Projekte aufzuwenden, die mir am Herzen liegen. Am 26. April 2023 war es so weit und wir konnten sie am Flughafen in Nürnberg in Empfang nehmen und in die Lympho Opt Klinik fahren.“

Liebe Frau Kushaba, wie schwer war es, allein in ein fremdes Land zu kommen, dessen Sprache Sie nicht mächtig waren?

„Das fiel mir nicht schwer – im Gegenteil, ich habe mich drauf gefreut, endlich Hilfe und eine adäquate Therapie zu erhalten. Rainer Kraus und seine Frau haben mich so nett in ihre Familie aufgenommen und mich während meines Aufenthalts umfassend umsorgt. Jedes Wochenende war ich bei ihnen zu Besuch und habe mich mit Martha Kraus in unserer Muttersprache unterhalten – das war für mich ein kleines Stück Heimat. Denn die Sprachbarriere war im Alltag eine große Hürde, aber ich konnte mich mit einer Übersetzungs-App verständigen. Außerdem habe ich schnell Kontakt zu anderen Betroffenen geknüpft, zum Beispiel zu Ursula Thomé, die nach einer Krebserkrankung die Diagnose Lymphödem erhalten hatte. Es war schön, mich mit anderen Betroffenen auszutauschen, Erfahrungen zu teilen und mich das erste Mal verstanden zu fühlen. Mit Ursula Thomé habe ich mich während meines Deutschland-Aufenthalts öfter getroffen – durch sie ist auch der Kontakt zur Firma medi entstanden, mit der Ursula Thomé seit Jahren eng zusammenarbeitet. medi Mitarbeiter:innen haben mich daraufhin vermessen und mir kostenfrei individuell angefertigte medizinische Kompressionsstrümpfe und das medizinische adaptive Kompressionssystem circaid juxtafit zur Verfügung gestellt.“

Wie sind Sie in der Klinik behandelt worden?

„Die Therapie bestand aus zwei Schritten: der Entstauungs- und Erhaltungsphase. In den ersten Wochen hat das Team um Dr. Franz-Josef Schingale auf Kurzzugbandagen gesetzt, um die angestaute Flüssigkeit in meinem Gewebe zu verringern. Da meine Haut anfangs gejuckt hat, habe ich die Wickelverbände zwei Wochen lang nur unregelmäßig getragen, später täglich. Zusätzlich habe ich circaid juxtafix verwendet, da es einfach an- und abzulegen war. Mit der Messkarte konnte ich den individuellen Kompressionsdruck exakt einstellen, kontrollieren und nachjustieren. Anders als die Wickelverbände rutschte es nicht, war angenehm zu tragen und ich konnte mich besser damit bewegen. Seit der Entstauung trage ich den medizinischen flachgestrickten Kompressionsstrumpf mediven 550. Außerdem habe ich manuelle Lymphdrainage sowie Schulungen zu Ernährung und Hautpflege bekommen und mich viel bewegt.“

Wie empfinden Sie den Tragekomfort der medizinischen Kompressionsstrümpfe?

„Ich fühle mich rundum perfekt eingepackt! Meine Beine werden in Form gehalten und die Schwellungen reduziert. Wenn ich die medizinische Kompressionsstrumpfhose einmal nicht trage, verhärtet sich das Gewebe, mein Beinumfang nimmt wieder zu ebenso meine Schmerzen. Auch optisch finde ich die Versorgung super und gut zu kombinieren!“

Wie lange waren Sie in Deutschland?

„Rund vier Monate bis zum 25. August 2023. Insgesamt bin ich mit dem Therapiemix und den Ergebnissen sehr zufrieden: Mein Lymphödem ist merklich zurückgegangen und meine Beschwerden haben nachgelassen – ich fühle mich besser, blicke optimistisch in die Zukunft und habe ganz viel Lebensqualität zurückgewonnen. Ich habe gelernt, meinen Körper kompromisslos anzunehmen und mich gut um mich zu kümmern. Mittlerweile traue ich mich auch, Fotos von mir auf Social Media zu veröffentlichen und mich in jedem Outfit zu zeigen, das mir gefällt.“

Wie können Sie aktuell Ihre Therapie in Uganda fortsetzen?

„Der Umgang mit circaid ist sehr einfach – dafür habe ich in Deutschland eine fachliche Einweisung bekommen. Zusätzlich habe ich in der Lympho Opt Klinik grundlegende Kenntnisse in manueller Lymphdrainage erhalten plus verschiedene Methoden der Selbstbehandlung erlernt. In Uganda haben wir keine fachlich ausgebildeten Ärzt:innen oder Therapeut:innen im Bereich der Lymphologie. Deshalb möchte ich gerne meine Kenntnisse in der Selbstbehandlung an andere Betroffene weitergeben. Aktuell bauen wir mithilfe des Lymphvereins eine ehemalige Schule zu einem Therapiezentrum um. Mein Ziel ist, Politiker:innen, Meinungsbildner:innen und Gesundheitsexpert:innen die Augen zu öffnen und die medizinische Versorgung flächendeckend auszubauen. Chronisch kranke Menschen bedürfen unserer Aufmerksamkeit und müssen ebenso effektiv und nachhaltig mit medizinischen Leistungen versorgt werden wie in anderen Teilen der Welt. Gerne möchte ich mich bei allen für die freundliche Unterstützung, Liebe und Fürsorge bedanken, die mir in Deutschland entgegengebracht wurde.“

Was ist das Konzept des Therapiezentrums?

„Die Idee stammt von Rainer Kraus und seiner Frau. Vorbild ist das Institute of Applied Dermatology im indischen Kasaragod. Das Behandlungskonzept umfasst westliche Medizin kombiniert mit Ayurveda, Homöopathie, Yoga und anderen traditionellen Medizinsystemen. Zur Therapie muss grundsätzlich ein Familienmitglied oder ein:e Bekannte:r dabei sein. Diese:r lernt die Behandlung, die Betroffene nach Abschluss der stationären Behandlung zu Hause weiter benötigen – so stellen wir nachhaltige Erfolge sicher. Auch ist eine telefonische Beratung im Nachgang inklusive, wenn zum Beispiel ein medizinisches Problem wie ein Erysipel (Wundrose = bakterielle Infektion) auftritt. Außerdem soll das Therapiezentrum als Ausbildungsstätte für Ärzt:innen, Therapeut:innen und lokale Gesundheitshelfer:innen dienen, die ihr Wissen weitergeben.“

Was raten Sie aus Ihrer Erfahrung anderen Lymphödem-Patient:innen?

„Es gibt Hoffnung auf Behandlung und Betroffene können an der Bewältigung ihrer Erkrankung aktiv mitwirken! Meiner Meinung nach ist die medizinische Kompressionstherapie mit Abstand die wichtigste Komponente in der Behandlung von Lymphödemen! Wir müssen unsere medizinische Kompressionsversorgung konsequent tragen, andernfalls verschlimmert sich das Krankheitsbild und die Schmerzen nehmen zu. Auch Sport und die richtige Ernährung tragen zur Verbesserung erheblich bei. Und nicht vergessen: Niemand ist mit seiner Erkrankung allein! Wir sind eine große Community und unterstützen uns gegenseitig. Wir bringen Freude und Glück in unsere Leben und schenken uns schöne Momente, wenn wir sie am dringendsten benötigen.“

Liebe Frau Kushaba, vielen Dank für Ihre persönlichen Einblicke und das Interview!

Quelle:

(1) Despite gains, barriers keep health care high on Africa’s priority list. Online veröffentlicht unter: ab_r6_policypaperno31_health_a_priority_in_africa1.pdf (afrobarometer.org) (https://www.afrobarometer.org/wp-content/uploads/migrated/files/publications/Policy%20papers/ab_r6_policypaperno31_health_a_priority_in_africa1.pdf) (Letzter Zugriff 24.04.2024)

Surftipps:

www.medi.de/haendlersuche/

www.medi.de/diagnose-therapie/lymphoedem/

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www.lymphverein.de/

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mediven® 550 Bein: Flachgestrickte medizinische Kompressionsversorgung zur Kompression der unteren Extremitäten, hauptsächlich bei der Behandlung von Erkrankungen des Lymphgefäßsystems.

circaid® juxtafit®: Die Kompressionsversorgung dient bei Patient:innen mit Venen- und Lympherkrankungen zur Kompression des Beins.

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