Berlin (ots) –

Im Rahmen des Deutschen Schmerz- und Palliativtags appellierten die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) und Gesundheitspolitiker an die ärztliche Selbstverwaltung, Maßnahmen zur Sicherung der schmerzmedizinischen Versorgung in Deutschland zu ergreifen. Eine rechtssichere Bedarfsplanung durch die Einführung des Facharztes für Schmerzmedizin, die Förderung des schmerzmedizinischen Nachwuchses und die Abschaffung von Fehlanreizen zugunsten operativer Eingriffe sind dabei von entscheidender Bedeutung.

In Deutschland gibt es etwa 4 Millionen Menschen mit schweren chronischen Schmerzen, jedoch nur etwa 1.200 ambulant tätige Schmerzmediziner. Diese unzureichende Versorgungssituation wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Einerseits wird aufgrund der anstehenden Krankenhausreform mit einem Rückgang der stationären schmerzmedizinischen Angebote gerechnet. Andererseits werden in den kommenden Jahren etwa 50 Prozent der Ärztinnen und Ärzte im Rentenalter sein. Gleichzeitig nimmt die Anzahl von Menschen mit chronischen Schmerzen, unter anderem aufgrund der demographischen Entwicklung, weiter zu.

DGS und Gesundheitspolitik: Diskussion zur schmerzmedizinischen Versorgung

Im Rahmen eines gesundheitspolitischen Symposiums diskutierten Dr. Johannes Horlemann, Kongresspräsident und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS), und DGS-Vizepräsidentin Dr. Silvia Maurer mit Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages. Anwesend waren Martina Stamm-Fibich, Patientenbeauftragte der SPD-Fraktion, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bündnis 90/Die Grünen und amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, sowie Dr. Georg Kippels von der CDU. Kristine Lütke von der FDP war per Videobotschaft zugeschaltet. Auch Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag, nahm an der Diskussion teil.

Ein Gutachten unterstützt die Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin

„Die schmerzmedizinische Versorgung ist in Gefahr“, beklagte Horlemann. Derzeit gibt es keine Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin, was die Nachbesetzung von Arztsitzen mit schmerzmedizinischer Spezialisierung unsicher macht. Bereits im Jahr 2018 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ein Gutachten zur Bedarfsplanung für die Schmerzmedizin angenommen.[i] „Trotz dieses Gutachtens unternimmt die ärztliche Selbstverwaltung nichts, um die Versorgung sicherzustellen“, so Horlemann. Maurer ergänzte, dass es auch an der Ausbildung des schmerzmedizinischen Nachwuchses mangelt, da Ärztinnen und Ärzte die Ausbildung eines Arztes aus dem bestehenden Honorar finanzieren müssen. Holetschek betonte zudem die Notwendigkeit zusätzlicher Studienplätze, um mehr ärztlichen Nachwuchs zu gewinnen.

Kippels signalisierte Bereitschaft, gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung nach Lösungen zu suchen. Dabei müsse jedoch deutlich gemacht werden, dass das aktuelle Problembewusstsein und die Maßnahmen der ärztlichen Selbstverwaltung unzureichend sind, um Schmerzmedizinern eine Perspektive zu bieten. Horlemann bestätigte das Versagen der Selbstverwaltung und regte gesetzgeberische Maßnahmen an. Die steigende Zahl von unterversorgten Schmerzpatienten sei nicht nur kostspielig, sondern auch eine große Belastung für die Betroffenen. „Wir streben den Facharzt für Schmerzmedizin nicht an, weil wir einen zusätzlichen Facharzt wollen, sondern um eine rechtssichere Bedarfsplanung für die Versorgung zu schaffen.“ Holetschek unterstützte eine Reform der Selbstverwaltung, um die Versorgung im Sinne der Patienten zu verbessern. Kappert-Gonther lobte die Arbeit der DGS als wegweisend. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die die DGS vorantreibt, sei vorbildlich und von großer Bedeutung für die Schmerzmedizin.

Neben der Unterversorgung beklagen Schmerzmediziner auch eine Fehlversorgung

Das Schwerpunktthema des Kongresses war der Rückenschmerz, der gleichzeitig der häufigste Grund für einen Arztbesuch in der Allgemeinmedizin ist. Gerade in diesem Bereich kommt es nicht nur zu einer Unterversorgung, sondern auch häufig zu einer Fehlversorgung, beispielsweise durch unnötige operative Eingriffe. Eine Studie von Überall et al. hat gezeigt, dass in einem strukturierten Zweitmeinungsverfahren nur in 4,5 % der Fälle die Indikation für eine Wirbelsäulenoperation bestätigt wurde, was darauf hinweist, dass zu viele Patienten operiert werden.[ii]

Viele Vorträge in der Mediathek verfügbar

Der Deutsche Schmerz- und Palliativtag 2024 fand vom 12. bis 16. März 2024 online statt. Für registrierte Teilnehmer stehen alle Vorträge noch bis zum 31. Mai in der Mediathek on demand zur Verfügung.

[i] Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Abnahme des Endberichts „Gutachten zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung i.S.d. §§ 99 ff. SGB V zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung“ vom 20. September 2018. https://www.g-ba.de/downloads/39-261-3493/2018-09-20_Endbericht-Gutachten-Weiterentwickklung-Bedarfsplanung.pdf.

[ii] Überall M. et al. Die interdisziplinäre Zweitmeinung. Ergebnisse einer Evaluation von 9.701Patienten. Posterpräsentation im Rahmen des Deutschen Schmerz- und Palliativtages 2023. https://www.imc-de.de/wp-content/uploads/2023/04/Poster-72-IVZ.pdf.

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