Berlin (ots) –

Heute hat in Berlin der Deutsche Krebskongress begonnen. In mehr als 300 Sitzungen diskutieren in den kommenden vier Tagen führende Mediziner*innen, Forscher*innen, Pflegekräfte, Psychoonkolog*innen sowie Vertreter*innen aus der Gesundheitspolitik und der Krebs-Selbsthilfe, wie die Zukunft der Onkologie gemeinsam gestaltet werden kann. Expert*innen fordern eine stärkere Einbindung von Patient*innen in die Forschung und den Ausbau von Netzwerkstrukturen. Gerade mit Blick auf die personalisierte Medizin sei dies unabdingbar, wie während der Eröffnungspressekonferenz deutlich gemacht wurde.

Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 500.000 Personen neu an Krebs. Allerdings gibt es enorme Fortschritte in der Therapie, erläutert Kongresspräsident Prof. Reinhard Büttner, Direktor des Instituts für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie an der Uniklinik Köln. Als Beispiel führt er die genomische Medizin an, die heutzutage eine präzise molekulargenetische Diagnostik ermöglicht, auf deren Grundlage Patient*innen häufig eine individualisierte Krebstherapie erhalten können. „Hierfür benötigen wir Expert*innenwissen, das so spezialisiert ist, dass einzelne Behandelnde nicht den alleinigen Überblick über alle neusten Entwicklungen und Therapieansätze behalten können. Interdisziplinarität und Interprofessionalität sind deshalb der Schlüssel zum Erfolg“, so Büttner. „Das zeigt sich auch im Kongressprogramm: Wir haben alle an der Onkologie beteiligten Fachrichtungen eingeladen, um uns zu vernetzen, das Wissen zu erweitern und auch weiterzutragen – ganz im Sinne unseres diesjährigen Kongressmottos ‚Fortschritt gemeinsam gestalten‘.“

Patientenbeteiligung in der Onkologie

Ein besonderes Anliegen war dem Kongresspräsidenten bei der Ausgestaltung des Programms die Beteiligung von Patient*innen in der Onkologie. Dies begrüßt auch Bärbel Söhlke, Mitgründerin und Vorsitzende der Patientenvereinigung zielGENau e. V. Sie fordert: „Wir brauchen insbesondere in der Forschung mehr Beteiligung von Krebsbetroffenen.“ Im englischsprachigen Raum werden seit mehr als 20 Jahren Krebsbetroffene in Krebsforschungsprojekte einbezogen – Deutschland stehe erst am Anfang der Entwicklung. Söhlke ist sich sicher, dass eine Patient*innenbeteiligung in der Forschung dazu beitragen könne, bessere Therapien zu entwickeln, etwa durch die Auswahl an Forschungsfragen und die Festlegung von patientenrelevanten Endpunkten. „Gerade in der genomischen Medizin können Patient*innenorganisationen bei der Studienrekrutierung behilflich sein und innerhalb ihrer Netzwerke dazu aufrufen, Daten für eine zentrale Datenbank oder mutationsspezifische Register zur Verfügung zu stellen, Tumormaterial für die Forschung zu spenden oder direkte Patient*innenerfahrungen einzubringen“, ergänzt Söhlke.

Vernetzung in der Onkologie

„Über die letzten Jahrzehnte hat sich dank rasanter Fortschritte in der Forschung die Versorgungslage für Krebspatienten kontinuierlich verbessert. Mit diesen Fortschritten wird die Therapie und Versorgung von Krebspatient*innen allerdings auch immer komplexer, weshalb eine weitreichende Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche unabdingbar ist“, so Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Krebshilfe. Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Vernetzung von Versorgung und Forschung sind die von der Deutschen Krebshilfe initiierten und geförderten Comprehensive Cancer Center. In den derzeit 15 geförderten Exzellenzzentren stehen neben einer Patientenversorgung auf höchstem Niveau auch die Forschung, insbesondere die sogenannte translationale Forschung, im Mittelpunkt. Dadurch kommen neue Forschungserkenntnisse sehr rasch auch den Patient*innen zugute, während umgekehrt Erkenntnisse aus dem Versorgungsalltag wiederum in die Forschung einfließen. Verbesserungsbedarf besteht allerdings noch in der Verzahnung mit regionalen Versorgungsstrukturen: „Mit einem neuen und gezielten Förderprogramm stoßen wir eine enge Vernetzung von Comprehensive Cancer Centers und regionalen Strukturen wie Kliniken und niedergelassenen Ärzten an, damit auch außerhalb der Exzellenzzentren Patient*innen zügig von Innovationen dieser Zentren profitieren.

Die Deutsche Krebshilfe ist zudem fest davon überzeugt, dass insbesondere bei problematischen Tumorentitäten mit schlechter Prognose nur klinische Fortschritte zu erzielen sind, wenn notwendige Forschung ebenfalls vernetzt gedacht und angelegt wird. Auch in diesem Sinne bringen wir derzeit Forschungsschwerpunktprogramme auf den Weg, wie kürzliche zum Bauchspeicheldrüsenkrebs“, berichtet Nettekoven.

Zertifizierte Zentren für Personalisierte Therapie

In der personalisierten Medizin werden Therapien oftmals off-label eingesetzt – also außerhalb der Zulassung. Sie sind so individualisiert auf einzelne Krebsbetroffene zugeschnitten, dass es nur sehr kleine Studiengruppen und somit wenig Wissen zum Einsatz gibt. „Wir müssen daher Strukturen schaffen, um mehr Evidenz zu gewinnen“, so Prof. Ghadimi, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG). Die DKG habe daher im vergangenen Jahr begonnen, Zentren für Personalisierte Medizin zu zertifizieren. Dieses Vorhaben basiert auf dem Innovationsfondsprojekt „Deutsches Netzwerk für Personalisierte Medizin“ (DNPM). Ziel des Verbundprojektes ist es, an Comprehensive Cancer Centers und weiteren universitären Krebszentren Zentren für Personalisierte Medizin einzurichten und die Kompetenzen im DNPM zu bündeln. Das Besondere an den Zertifizierten Zentren für Personalisierte Therapie: Diese Zentren haben ein hochspezialisiertes Molekulares Tumorboard, bestehend aus Mitarbeitenden der Bioinformatik, Molekularbiologie, Pathologie, Humangenetik, Fachärzt*innen der Inneren Medizin und Hämatologie und Onkologie sowie Expert*innen der jeweilen Tumorerkrankung. Gemeinsam geben sie auf Grundlage einer komplexen Molekulardiagnostik eine Therapieempfehlung ab. „Die Patient*innen werden dann im Rahmen von Studien begleitet. Die Zentren sind in einem Netzwerk verbunden und profitieren so untereinander vom Wissen über den Einsatz einer Therapie“, erläutert Ghadimi. Aktuell gebe es 12 dieser Zentren, und Ghadimi erwartet für das erste Quartal 2024 vier weitere Zertifizierungen. „Das sind gute Nachrichten für Patient*innen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen, die so Zugang zu hochwertiger molekularer Diagnostik und innovativen Therapien erhalten – und zugleich lernen wir mehr über den Einsatz der Therapien.“

Künstliche Intelligenz in der Pathologie

Voraussetzung für personalisierte Therapien ist oftmals die pathologische Diagnostik, die sich in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt hat – etwa durch molekulargenetische Analysen und Biomarkeranalytik und in jüngerer Zeit auch durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Auch das ist ein Thema auf dem DKK. PD Dr. Yuri Tolkach vom Institut für Allgemeine Pathologie und Pathologische Anatomie der Uniklinik Köln gibt einen Einblick in seine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema. Er hält den Einsatz von KI in der pathologischen Diagnostik für vielversprechend, dieser stehe aber erst am Anfang der Entwicklung. Tolkach nennt drei Hauptanwendungsgebiete: „Erstens, sogenannte ‚Helfer Algorithmen‘, die z. B. der Qualitätskontrolle dienen und im Hintergrund ablaufen. Zweitens kann KI auch diagnostische Prozesse erleichtern und automatisieren oder den Aggressivitätsgrad von Tumoren bestimmen. Der dritte Anwendungsbereich kann helfen, molekulargenetische Veränderungen und prädiktive Biomarker, die für die Therapieauswahl entscheidend sein können, zu erkennen.“ Er führt weiter aus, dass die Anwendung von KI sehr präzise und verlässlich sei und eine große Zeitersparnis bringen könne. Zudem betont er, dass Digitalisierung eine unabdingbare Voraussetzung für den Einsatz von KI ist: „Damit wir KI breit einsetzen können, benötigen Kliniken und Institute leistungsstarke Rechner oder Server – der derzeitige Zustand ist in Deutschland noch unbefriedigend. Wir benötigen mehr Investitionen.“ Außerdem bedarf es IT-Expert*innen, die sich auch mit medizinischen Fragestellungen auseinandersetzen und interdisziplinär arbeiten möchten. Er verweist auf die USA und auf Japan. Dort gebe es an Unikliniken bereits Abteilungen für Pathologische Informatik, an denen Expert*innen entsprechend geschult werden.

Über den DKK 2024

Unter dem Motto „Fortschritt gemeinsam gestalten“ diskutieren vom 21. bis 24. Februar 2024 beim Deutschen Krebskongress in mehr als 300 wissenschaftlichen Sitzungen alle an der Krebsversorgung Beteiligten, wie die Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge für Krebsbetroffene verbessert werden kann und welche neuen Erkenntnisse es in der Forschung und Versorgung gibt. Mehr: www.dkk2024.de

Die Ausrichter – starke Partner im Kampf gegen Krebs

Die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. (DKG) – eine Nachfolgeorganisation des 1900 gegründeten „Comité für Krebssammelforschung“ – ist die größte wissenschaftlich-onkologische Fachgesellschaft im deutschsprachigen Raum. In der DKG vertreten sind über 8.000 Einzelmitglieder in 25 Arbeitsgemeinschaften, die sich mit der Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen befassen; dazu kommen 16 Landeskrebsgesellschaften und 35 Fördermitglieder. Die DKG engagiert sich für eine Krebsversorgung auf Basis von evidenzbasierter Medizin, Interdisziplinarität und konsequenten Qualitätsstandards, ist Mitinitiator des Nationalen Krebsplans und Partner der „Nationalen Dekade gegen den Krebs“. Weitere Infos: www.krebsgesellschaft.de

Die Deutsche Krebshilfe wurde am 25. September 1974 von Dr. Mildred Scheel gegründet. Ziel der gemeinnützigen Organisation ist es, Krebserkrankungen in all ihren Erscheinungsformen zu bekämpfen. Unter dem Motto „Helfen. Forschen. Informieren.“ fördert die Stiftung Deutsche Krebshilfe Projekte und Initiativen zur Verbesserung der Prävention, Früherkennung, Diagnose, Therapie, medizinischen Nachsorge und psychosozialen Versorgung, einschließlich der Krebs-Selbsthilfe. Ihre Aufgaben erstrecken sich darüber hinaus auf forschungs- und gesundheitspolitische Aktivitäten. Sie ist ebenfalls Mitinitiator des Nationalen Krebsplans sowie Partner der „Nationalen Dekade gegen Krebs“. Die Deutsche Krebshilfe ist der größte private Geldgeber auf dem Gebiet der Krebsbekämpfung – unter anderem der Krebsforschung – in Deutschland. Sie finanziert ihre gesamten Aktivitäten ausschließlich aus Spenden und freiwilligen Zuwendungen der Bevölkerung. Weitere Infos: www.krebshilfe.de

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